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in'side online 8/9'96 - News & Trends


Windows 97: Microsoft und das Internet

Als Microsoft-Chairman Bill Gates am 13. Juni nach San José zum "Intranet Strategy Day" rief, wurde ihm weltweite Aufmerksamkeit zuteil: Direkt aus dem sonnigen Kalifornien wurde die Veranstaltung per Satellit live übertragen. Außer den etwa 500 Zuschauern vor Ort verfolgten mehrere tausend Interessierte in Kinosälen rund um den Globus die Visionen, die einer der Mächtigsten der Computerbranche mit ihnen teilen wollte.

Was Bill Gates auf dem "Strategy Day" ausbreitete, waren unter anderem Produktplanungen von Microsoft, welche die künftige Arbeit mit Computern im weltweiten Datennetz betreffen. Die für das nächste Jahr erwartete Windows-Version, inoffiziell bereits Windows 97 getauft, wird den Internet Explorer bereits als festen Bestandteil des Betriebssystems integriert haben. Damit können Sie dann nicht nur im Internet surfen, sondern auch von außerhalb auf Ihrem Rechner daheim oder auf dem Ihres Nachbarn stöbern - aus Sicht des Anwenders macht dies von der Bedienung her keinen Unterschied!

Der erste entscheidende Schritt in diese Richtung wird noch in diesem Jahr erwartet: Eine Erweiterung von Windows 95 mit dem Codenamen "Nashville" ergänzt das Betriebssystem um einen integrierten Browser und um Server-Software. Standardmäßig sind Sie selbst der einzige Benutzer des Servers, der damit auf Ihrem Rechner entsteht. Mit wenigen Einstellungen können Sie jedoch Freigaben erteilen und damit sogar eigene Internet-Dienste anbieten. Verzeichnisse auf der eigenen Festplatte mutieren zur Web-Site, der Windows-Desktop wird sozusagen zur Homepage.

Die auf dem Web-Server von Microsoft kostenlos verfügbare Betaversion des Internet Explorer 3.0 vermittelt bereits einen ersten Eindruck davon. Die endgültige Version ist für Ende 1996 angekündig und soll mit Java, JavaScript, Netscape-Plug-Ins und ActiveX sowie der HTML-Version 3.2, die über erweiterte Frames verfügt, alle gängigen Standards zur Gestaltung von Web-Seiten unterstützen. Protokolle zur Abwicklung elektronischen Zahlungsverkehrs werden ebenfalls integriert sein. Den zum Internet Explorer gehörenden News- und Mail-Reader müssen Sie derzeit noch als separate Datei vom Microsoft-Server laden. Obwohl er als Betaversion schon erstaunlich stabil läuft, läßt er doch gegenüber den etablierten Clients noch einiges an Komfort vermissen.

Unter dem Motto "Activating the Internet" will man die bislang eher statischen Web-Inhalte an Dynamik gewinnen lassen. Dabei sind Steuermöglichkeiten wie Java, JavaScript und ActiveX ebenso wie Datenbankanbindungen und HTML-Editoren im Blick. So erlaubt NetMeeting 1.0 die Voice- und Datenkommunikation über Internet und Intranet. Mehrere Benutzer können in Konferenzen miteinander eintreten und bequem Daten austauschen. Der Clou: Die Konferenzteilnehmer sollen die Möglichkeit haben, gemeinsam beliebige Windows-Programme zu benutzen.

Völliges Neuland dürfte mit Comic Chat betreten werden. Hierbei handelt es sich um eine völlig neuartige Chat-Lösung, bei der die Gesprächsteilnehmer durch Cartoon-Figuren dargestellt werden. Die jeweilige Gesprächssituation wird ebenso wie die von den Teilnehmern vorgegebene Stimmungslage direkt in den vom Programm erzeugten Comic-Strips umgesetzt.

Das bereits in in'side online 6-7/96 vorgestellte FrontPage erlaubt es, Web-Seiten so mühelos zu gestalten wie Drucksachen in einer Textverarbeitung. Die Version 1.1 soll Bestandteil von Office 97 werden. Das Programm Outlook, ein "Desktop Information Manager", verwaltet Termine, Adressen und Kontakte. Mit Hilfe des "Punkt-zu-Punkt-Tunnelungs-Protokolls" PPTP, eines Bestandteils von Windows NT 4.0, kann das eigentlich als eher unsicher geltende Internet dazu verwendet werden, weit voneinander entfernte Arbeitsstationen miteinander zu verbinden, als ob sie sich im selben lokalen Netzwerk befänden: Die Datenpakete werden vor ihrer Internet-Reise eingepackt und verschlüsselt.

Weiterhin wurde eine Java-Entwicklungsumgebung, die unter dem Codenamen "Jakarta" bislang schon für Gesprächsstoff gesorgt hat, als Visual J++ angekündigt. Sie erlaubt die eigenständige Entwicklung von Java-Applikationen und wendet sich an "echte" Programmierer. Das ActiveX Control Pad dagegen ist ein Werkzeug, das auch Autoren ohne Programmierkenntnisse zugute kommt: Es erlaubt die Gestaltung interaktiver Web-Seiten mit ActiveX-Elementen.

Wer einen Internet-Shop eröffnen möchte, erhält mit dem Merchant-Server eine Komplettlösung einschließlich Datenbank- und Internet-Information-Server, Sicherheitssystem und elektronischer Bezahlung (eCash). Die HTML-Seiten werden dynamisch aus einer Datenbank ermittelt, so daß der Verwaltungsaufwand auf ein Minimum beschränkt wird.

Internet, Intranet und lokale Arbeitsplätze rücken immer dichter zusammen. Mit Microsofts Intranet-Initiative wird dieser Vorgang drastisch beschleunigt. Bill Gates' Software-Imperium versucht, die Federführung in der Weiterentwicklung des Web zu übernehmen - kooperativ, wie es heißt, und stets in Zusammenarbeit mit den offiziellen Web-Gremien. Bemerkenswert ist auf jeden Fall der Einsatz von Mensch und Material. Was Microsoft in den vergangenen sechs Monaten an Internet-Technologie auf die Beine gestellt hat, sucht seinesgleichen - auch wenn wenig davon bislang über ein Beta-Stadium hinausgekommen ist.

Wird es Bill Gates gelingen, "Windows 97" und NT 4.0 als Standard-Betriebssysteme zu etablieren - und derzeit spricht nichts dagegen - , dann wird in Zukunft die Frage an Bedeutung verlieren, an welchem Ort Daten gespeichert sind oder auf welchem Rechner ein Programm wirklich läuft - viel wichtiger ist dann, daß es einfach funktioniert und daß jeder, der damit arbeiten will oder soll, entsprechend vernetzt ist.

Bei ActiveX handelt es sich um objektorientierte HTML-Erweiterungen, die bis jetzt unter der Bezeichnung OCX kursierten. ActiveX soll im Laufe der nächsten zwei Jahre zu Anwendungen führen, die modular je nach Bedarf über das Netz nachgeladen werden. Wenn Sie beispielsweise im Web eine Seite mit einer Excel-Tabelle laden, das Programm Excel aber nicht auf Ihrem Rechner installiert ist, wird automatisch die passende ActiveX-Komponente (in diesem Fall ein Excel-Viewer) geladen. Um auch das lokale Arbeiten ohne Netzwerk zu ermöglichen, können einzelne Module vorab geladen und lokal zwischengespeichert werden.

Neben der dadurch erreichten Benutzerfreundlichkeit ergibt sich jedoch eine Sicherheitslücke, da ActiveX-Module nicht wie Java-Programme in einem gesicherten Systemumfeld laufen, sondern vollen Zugriff zu allen Systemressourcen haben. Eine "bösartige" ActiveX-Komponente könnte daher viel Schaden anrichten. Ein passendes Sicherheitskonzept konnte Microsoft bislang nicht ankündigen.


Microsoft Internet Explorer 3.0


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Letzte Änderung am 23 Jul 1996.
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