In'side MULTIMEDIA 07/96 - Markt &
Test
Ray Dream Studio
3D-Träume
3D-Software ist fast immer auch auf Animation
ausgelegt. Eine seltene Ausnahme von dieser Regel war bisher das
Programm Ray Dream Designer, das explizit nur für stehende
Bilder verwendet werden konnte.
Obwohl er keine Animationen
berechnen konnte, gewann der Ray Dream Designer, insbesondere
unter Illustratoren, eine große Fangemeinde. Die
ständig wachsende Konkurrenz und sicher auch die wachsenden
Bedürfnisse vieler Anwender haben nun auch bei dieser
Software zu einer neuen Version geführt, die jetzt auch
bewegte Bilder unterstützt: Ray Dream Studio!
Wie bei allen anderen 3D-Programmen steht auch beim Ray Dream
Studio am Anfang die Idee, der Form verliehen werden soll. Den
Rahmen für diese Idee bereitet der Anwender vor, indem er
eine neue Szene anlegt. Dabei kann er entweder gänzlich bei
Null anfangen und dann Beleuchtung und Hintergründe ganz
nach Wunsch einfügen, oder aber sich des Scene Wizards
bedienen. Diese insbesondere für Anfänger
außerordentlich hilfreiche Einrichtung stellt verschiedene
vorgefertigte Szenen-Einstellungen zur Verfügung und
erklärt sie. Die enthaltenen Vorlagen sind in Gruppen
gegliedert, die intern wiederum in weiter spezialisierte
Kategorien aufgeteilt sind. Der Anwender klickt sich sozusagen zu
der für seine Belange am besten geeigneten Szene.
Drag&Drop
Nun kann damit begonnen werden, die Szene mit Objekten zu
füllen, die der Ray Dream Designer bestimmten Kategorien
zuordnet. Das Programm unterscheidet dabei Fonts, geometrische
Grundformen wie Zylinder oder Kugeln und komplexere Objekte wie
Sterne sowie freie Formen. Hier wird der Anwender erstmals mit
dem Drag&Drop-Konzept von Ray Dream Studio konfrontiert:
Indem er den Button für den gewünschten Objekttyp
anklickt und mit gedrückter Maustaste in seine Szene zieht,
fügt er das gewünschte Objekt ein. Grundformen
erscheinen nun unmittelbar im Arbeitsfenster. Wählt der
Anwender freie Formen, erscheint anstelle des Szenenfensters der
Modeller, in dem der Körper
gestaltet werden muß.
Die voreingestellte Aussicht in den virtuellen Arbeitsraum des
Modellers ist von diagonal schräg oben. Dadurch erhält
der Anwender zwar einen guten Eindruck des in Arbeit befindlichen
Objektes, doch präzises Modellieren fällt schwer.
Dieses Problem löst das Ray Dream Studio, indem es eine
Drei-Seiten-Projektion einblendet. Unter dem Objekt sowie an den
zwei hinteren Seiten erscheinen Gitterflächen, auf denen
jeweils eine 2D-Projektion des Objektes zu sehen ist. Spezielle
Handle-Buttons an den Projektionsdarstellungen und dem
eigentlichen Objekt lassen nun Aktionen wie drehen, dehnen oder
stauchen einfach zu. Auch bei der Modellierung komplexerer
Körper werden die Projektionen ausgiebig genutzt. So
können z. B. verschiedene Spline-Kurven auf die
Projektionswände gezeichnet, mitein-ander verknüpft und
dann extrudiert oder zu Rotationskörpern erweitert werden.
Der Objekt Wizard bietet eine dem Scene Wizard vergleichbare
Handhabung an, nur daß der Katalogbaum statt Szenen Objekte
enthält.
Sobald die Grundform fertig ist, geht es zurück in das
Szenen-Fenster, in dem der Anwender wieder die bekannten
Projektions-Wände findet, die übrigens auch einzeln
ausgeschaltet werden können. Der nächste Schritt zum
fertigen Rendering besteht nun im Zusammenstellen der
eigentlichen Szene, wozu auch die Gestaltung komplexer
Körper gehört. Soll z.B. ein Hubschrauber auftauchen,
werden Einzelteile wie Rotorblätter und Rumpf im Modeller
erstellt und dann im Scene-Fenster zusammengebaut und, falls
nötig, vervielfältigt. Die Einzelteile können dann
mit Texturen versehen werden, wobei entweder einfache Farben,
prozedurale Texturen oder Bilddateien zum Einsatz kommen
können. Ein recht einzigartiges Feature ist die Option,
unmittelbar auf 3D-Objekten zu malen, sie setzt aber für
eine vernünftige Arbeitsgeschwindigkeit mindestens einen
Pentium voraus. Schließlich lassen sich die Einzelteile zu
komplexen Objekten zusammenfügen, die auch hierarchische
Strukturen haben können. Die so gesetzten Hierarchien werden
benötigt, wenn es an die Animation der Objekte geht.
Mächtige Animationswerkzeuge
Ray Dream Studio stellt eine
ganze Reihe verschiedener Werkzeuge zur Animation zur
Verfügung. Einfachere Bewegungen lassen sich durch das
Verschieben der Objekte im Raum erzielen, wobei die Dauer der
Bewegung über ein spezielles Timeline-Fenster gesteuert
werden kann. Komplexere Animationen wie z.B. eine Kugel, die
flachgedrückt wird, lassen sich mittels Modellierung und
Timeline erstellen: Der Anwender muß nur die
ursprüngliche runde Kugel im ersten Bild modellieren, in der
Time-line zu dem Punkt nach vorne springen, an dem die Kugel
flach sein soll, und sie dort seinen Wünschen entsprechend
deformieren. Die zwischen den beiden Ausgangsformen liegenden
Bilder oder Frames, wie der Animator sie nennt, werden vom
Computer berechnet.
Die Animation besonders komplexer Modelle, wie z.B. Menschen,
kann mittels inverser Kinematik erarbeitet werden. Dabei wird das
Modell hierarchisch aufgebaut, und für die einzelnen Gelenke
werden maximale Beugungswinkel definiert. Nun kann das so
vorbereitete Modell wie eine Marionette bewegt werden,
zieht" der Anwender mit der Maus an einem Finger des
Modells, bewegt sich der ganze Arm.
Fazit
Ray Dream Studio ist ein wohldurchdachtes 3D-Werkzeug, das schon
als reiner 3D-Illustrator überzeugen konnte. Die
Animations-Erweiterungen runden den Leistungsumfang der Software
gut ab. Die an sich sehr aufgeräumt wirkende
Benutzeroberfläche lädt zum Experimentieren ein, doch
stellenweise allzu klein geratene Symbole und Klickflächen
setzen mindestens einen 17-Zoll-Monitor für
vernünftiges Arbeiten voraus. Die Qualität der
gerenderten Bilder ist ausgezeichnet und stellt auch gehobene
Ansprüche zufrieden. Neben dem eigentlichen Programm
enthält das Paket 500 Modelle im Ray-Dream-Format. Diese
sind einerseits zum schnellen Start eine ideale Hilfe,
andererseits nicht besonders aufwendig ausgeführt und somit
qualitativ nur Durchschnitt.
Der große Leistungsumfang des Programms muß mit der
bei 3D-Software fast schon üblichen langen Einarbeitungszeit
bezahlt werden. Anwender des Ray Dream Designers werden sich im
Ray Dream Studio sofort zurechtfinden. Umsteiger von anderen
Programmen dürften anfangs mit dem Modeller ein paar
Probleme haben. Der Szenenaufbau selbst ist jedoch sehr klar, und
es können schnell die ersten Resultate erzielt werden.
Heiner Stiller